Cayo ernesto thälmann
zdf-aspekte/dw-kultur 21 (2004)
Ein herrlicher Junitag des Jahres 1972. Gut gelaunt gleitet Kubas Fidel Castro die Gangway des Ostberliner Flughafens Schönefeld hinunter und hinein in die Arme des neuen DDR-Staatschefs Erich Honecker. Der Atompoker der Supermächte auf Kuba, der die Welt fast in die Apokalypse katapultiert hätte, dutzende Attentate, die Wirtschaftsblockade, alles hat Castro überlebt. Fidel ist äußerst fidel und munter, seine Gastgeber äußerst erfreut, mit ihm weht ein Hauch Weltgeschichte in die kleine DDR hinein. Die „Aktuelle Kamera“ berichtet begeistert, zeigt Castro auf Rundreise durch die Republik. Zurück in Ost-Berlin ist der Kubaner am Zug, breitet mit großer Geste er eine riesige Karte aus. Was der DDR-Sprecher und das Neue Deutschland verkünden, wird die Geburt der Legende: Castro schenkt der DDR eine Insel. Das Sandarchipel Cayo Blanco del Sur im Süden Kubas, kaum einen halben Kilometer breit, aber über zwanzig Kilometer lang, ein palmenbedecktes Karibikparadies, erhält einen neuen Namen: „Cayo Ernesto Thälmann“. 30 Jahre später ist die DDR-Geschichte, die Mauer gefallen und das Land längst beigetreten zur Bundesrepublik. Hatte die DDR da eine kleine Insel im Gepäck, die bei der Wiedervereinigung übersehen wurde? Wir reisen nach Kuba und treffen Zeitzeugen, die mehr wissen.